Fragen zum Regenbogen der Liebe

Dieser Text enthält die Fragen, zu einer früheren Version. Zur aktuellen Version – ohne Fragen.

Als junger Mann mochte ich gar nicht über Liebe sprechen, es erschien mir eher bedrohlich, wie gefährliches Glatteis. Ich ahnte, dass es sehr unromantisch ist, auf die Frage Liebst du mich? mit der Rückfrage Wie meinst du das? zu reagieren.

Dann hatte ich eine klare Vorstellungen was spirituelle Liebe sein sollte. Inzwischen ist das Feld sehr weit: Unendlich bunt und vielfältig ist das, was wir als Liebe bezeichnen. Im Sanskrit soll es über 100 Worte für Liebe geben. 

Vielleicht ist es möglich noch bewusster mit deiner Liebe umzugehen wenn du dich den einzelnen Aspekten annäherst. So wie ein Bild aus einzelnen Farben zusammengesetzt ist, kannst du hier deine ganz persönlichen Spielarten der Liebe entdecken.

Mein Vorschlag. Lies bewusst und langsam. Urteile nicht zu schnell, sondern gönne dir Fühl-Pausen. Vielleicht passt es eher den Text nicht an einem Tag zu lesen. Nimm dir am Besten etwas zu Schreiben und notiere jeweils deine Gedanken und Gefühle. Stürzen wir uns nun bewusst in das Abenteuer der Liebe:

Ich habe einige Farben aus dem Regenbogen der Liebe genauer beschrieben. Prüfe für dich selbst, wo du etwas für dich wiedererkennen kannst und was für dich fremd ist. Außerdem habe ich ein paar Fragen angefügt, die helfen können deine Erfahrungen und Wünsche zur Liebe näher zu erforschen.

Liebe ist das Gefühl der Freude, das sich einstellt, wenn ich mit einer anderen Person oder Situation im Einklang bin. Sie ist dann ein anderes Wort für ein inneres „Ja“, weil meine gegenwärtigen Bedürfnisse erfüllt werden. Regelmäßig ergeben sich Probleme daraus, dass im nächsten Augenblick meine Bedürfnisse nicht erfüllt werden und zum Beispiel die andere Person sich so verhält, wie es mir nicht gefällt. Ist die Liebe dann zu Ende?

Liebe kann empfunden werden bei Kontakt mit starker Präsenz. Ein langer Blick in die Augen eines Neugeborenen oder eines anderen Menschen und du bekommst einen Geschmack von unendliche Tiefe. Wann hast du eine solche Begegnung zuletzt erfahren? Wann ist es dir angenehm, wann kannst du den Kontakt nicht zulassen und es wird unangenehm? Hält dich etwas davon ab, dich für eine solche Begegnungen zu öffnen?

Liebe kann so empfunden werden wie ein gemeinsames Schwingen, die Synchronizität, gleichzeitig einander anzurufen, ähnliche Gedanken zu haben, anderen Menschen das Gleiche zu erzählen. Manchmal ist es verbunden mit dem Wunsch, dem Partner nur angenehme und keine unangenehmen Gefühle zu zumuten. Übersteigert zeigt es sich dann als Symbiose, wenn sich das Ich im Wir auflöst. Dann kann es sein, dass die Fähigkeit verloren geht den Boden unter den eigenen Füßen zu spüren. Angst vor Verlassenheit bei dem einen Partner und Angst vor Überflutung bei dem anderen Partner ergänzen sich zu einer brisanten Mischung.

Liebe kann die innere Leichtigkeit sein, mit der ich spielerisch unsere Grenzen teste, dich necke, zum Lachen bringe. Wann hast du zuletzt gespielt?

Liebe ist die innere Weite, wenn ich etwas Schönes anschaue. Warum sehe ich etwas als schön? Das kann mit Herkunftsfamilie und Kultur zusammenhängen, d.h. was andere Menschen schon mal schön gefunden haben. Es kann in der Art und Weise liegen, wie du schaust. „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ sagt man. Was fällt dir leicht als schön zu erkennen und bei was fällt es dir schwer?

Liebe wird auch als ein ganzkörperlicher und emotionaler Ausnahmezustand erlebt. Ich bin verliebt, sagen wir dann, sehen alles rosarot, strahlen mit unserem Leuchten alle Menschen an, schweben auf Wolke sieben, unser Verstand hat Urlaub.

Liebe ist das Körpergefühl, das mich durchströmt und ich ganz wach darin bin. Es stellt sich manchmal in der Begegnung zu Menschen oder beim Blick in die Weite am Meer ein. Kennst du solche Erlebnisse? Mit etwas Übung kannst du auch Wege finden selbst dieses Gefühl zu erzeugen. Was hilft dir dabei?

Ein Aspekt von Liebe ist, dass wir von etwas emotional berührt sind. Wenn uns etwas anrührt, können wir eine Weite im Herzraum spüren. Dies gelingt umso leichter, wenn wir die Fähigkeit üben von dort aus wahrzunehmen. Relativ leicht ist es, wenn uns etwas gefällt. Kannst du auch die Weite im Herzraum spüren, wenn dich etwas entsetzt, schmerzt oder traurig stimmt? Oft lassen wir uns nicht emotional berühren, weil wir an unserer Fähigkeit zweifeln die Stärke unserer Emotionen regulieren zu können. Auch für eine Liebesbeziehung kann es entscheidend sein, ob wir die Fähigkeit dazu geübt haben und unser Herz offen lassen können, selbst wenn uns etwas schmerzt.

Für viele Menschen wird Liebe erfahrbar wenn sie körperlich berührt werden. Dafür braucht es die Offenheit, sich berühren zu lassen. Unsere Kultur kennt viele Tabus für Berührung außerhalb einer Liebesbeziehung oder einer therapeutischen Behandlung. Dabei ist die Berührung ein Kommunikationskanal, der vielfach unterschätzt wird. Mit zunehmender Erfahrung können wir die Qualität einer Berührung etwa im Hinblick auf die Präsenz, Achtsamkeit und Stille erkennen. Es braucht auch die Fähigkeit die Reaktionen bei der anderen Person wahrzunehmen und richtig zu deuten. In welchen Situationen erfährst oder gibst du derartige Liebe? Wo kannst du mehr davon in dein Leben bringen?

Liebe ist auch die magnetische Anziehung zwischen zwei Polen. Diese Polarität beruht auf Unterschiedlichkeit. Du kannst sie nicht nur zwischen Menschen sondern auch in der Begegnung von Berg und Tal, Meer und Strand, Blume und Schmetterling entdecken. Wenn du das weißt, kannst du bewusst dazu beitragen. Wo erlebst du Polarität in deinem Leben? Welche Formen der Polarität bringen dich an deine Grenzen?

Liebe ist die Vertrautheit mit einem Menschen, mit dem du im Einklang stehst. Die gemeinsame Aktivitäten eines Tages können Empfindungen der engen Verbindung und Zugehörigkeit wecken.  Manchmal ergeben sich Probleme daraus, dass ein Mensch dir gleich sehr vertraut vorkommt, z.B. wenn er dein unbewusstes Kind anspricht, weil er Ähnlichkeit mit deinem Vater hat. Dann solltest du dich nicht wundern, dass später diese Person auch deine Wunde aus dieser Konstellation berührt.

Liebe kann das Gefühl von Schmerz, Sehnsucht und Verlassenheit sein, dass uns deutlich macht, wie sehr wir mit einem Menschen zusammen sein wollen. Angst vor Einsamkeit prägt eventuell diese Liebe. Glaubt man den schnulzigen Liebesliedern scheint es eine häufige Ausprägung von (abhängiger) Liebe zu sein. Was sind deine Ängste in Bezug auf deine engsten Menschen? Gibt es Ähnlichkeiten zur Situation in deiner Kindheit? Stehen für dich Freiheit und Liebe im Gegensatz zueinander? Oder ist das Gefühl von Sehnsucht für dich notwendig um zu spüren, wie gern du mit diesem Menschen zusammen bist? Würden dafür nicht besser Begriffe von Freude und Dankbarkeit passen?

Liebe empfinde ich durch die Wertschätzung und Anerkennung, die ich von dir bekomme. Erhältst du diese Anerkennung in der für dich richtigen Sprache der Liebe? Was geschieht, wenn du widersprichst oder mich kritisierst?

Viele würden die Vorstellung zurückweisen, dass Liebe etwas mit Vernunft und Überlegung zu tun hat. Könnte es sein, dass dennoch unbewusste Überlegungen eine Rolle spielen, über die wir nicht so gerne sprechen? Beispiele: Was habe ich davon? Werden meine Bedürfnisse erfüllt? Hab ich eher mehr Freude oder mehr Schmerz? Was muss ich loslassen, wenn ich mich auf eine Liebesbeziehung einlasse? Finde ich in meiner Situation/Alter noch etwas Besseres? Hand aufs Herz: vielleicht hat kalkulierte Liebe in deinem Regenbogen doch einen Platz.

Liebe ist die Schönheit in deinem Gesicht. Unsere Gesichtserkennung funktioniert so: wir bilden aus den Gesichtern, die wir häufig sehen, ein Durchschnittsgesicht. Dabei fließen auch die Gesichter aus Zeitschriften und Plakaten mit ein. Ein konkretes Gesicht wird im Gehirn als Differenz zu diesem Durchschnittsgesicht gespeichert. Alles was nahe am Durchschnittsgesicht ist, kommt uns „schön“ vor. Soweit das Programm. Entwertet es deine Freude über Schönheit, wenn du diesen Mechanismus kennst? Schaust du dann bewusster auf die Falten im alten Gesicht, auf fremde oder hässliche Gesichter?

Liebe ist ein Ablauf, wie ich ihn von romantischen Filmen kenne. Der Held rettet sie aus großer Gefahr. Die Spannung, wenn sie zum ersten Mal zusammenkommen und es kribbelt. Immer wieder gibt es schwerwiegende Hindernisse, aber am Ende kommen sie endgültig (!) zusammen. Glaubst du, dass deine Partnerin, dein Partner dir deine Gefühle macht? Hast du auch schon mal (unbewusst) Dramen kreiert um die Liebe zu testen? Kann es eine echte Liebe sein, wenn sie sich auf ganz andere Weise entfaltet, als in den Filmen? Was löst es aus, wenn du dich der Gewissheit stellst, dass jede Liebesbeziehung endet?

Liebe erkennst du evt. daran, dass sich die Energie in deinem Becken regt. Wir nennen das auch sexuelle Erregung. Darf das sein? Was genau sind für dich Auslöser? Hast du darauf Einfluss? Kannst du das bewusst an- und ausstellen?

Liebe kann was damit zu tun haben meiner Ich-Struktur mal eine Pause zu gönnen. Das nennt sich Hingabe – an den Partner, an ein gemeinsames Projekt, an meine tiefere Lebensaufgabe. Oder die Hingabe daran den Partner zu führen damit er/sie in Bereiche gelangt, die er/sie alleine nicht erreichen könnte. Oder an die Führung durch eine höhere Macht. Dann bereitet sie das Nest dafür, dass Gnade (s.u.) einfliegen kann.

Liebe kann der Wunsch nach Fürsorge für ein anderes Wesen sein. Dir ist das Wohlergehen des anderen wichtig und es macht dich zufrieden, wenn du etwas für die andere Person tun kannst. Was geschieht, wenn deine Fürsorge nicht wertgeschätzt oder zurückgewiesen wird?

Liebe kann eine Entscheidung sein: Ich habe mich dafür entschieden immer wieder auf dich zuzugehen. Welche Gegenleistung erwarte ich unbewusst? Was könnte die Entscheidung gefährden? Welchen Stürmen hält sie stand?

Vielleicht erlebst du Liebe als das (gemeinsame) Eintauchen in die Stille. Wenn nichts gesagt werden will, wenn sich alles andere in der Stille auflöst und nur der gegenwärtige Augenblick zählt.

Vielleicht erlebst du Liebe als Gnade, die alles erlöst was dich zuvor beschweren konnte. Es ist eine erlösende Liebe, die unsere Herzen auf ehrliche und intime Weise für die Liebe öffnet, die von Anfang an da war und durch die ganze Schöpfung fließt. Wenn du dich über deine persönliche Existenz hinaus öffnest, dort wo jede Story losgelassen ist, gibt es nichts, was die Dynamik der Liebe einschränken könnte.

Vielleicht ist es Liebe, wenn ich den Eindruck habe, dass Gott (oder wie auch immer du ES nennst) durch mich spricht und handelt. In solchen Augenblicken sehen meine Augen nur Schönheit, dann fließt die Liebe bedingungslos, dann ist alles ohne Anfang und Ende. Ja, und du bist die Einladung Gott zu erleben.

Bestimmt hat der Regenbogen noch viel mehr Farben. Du bist willkommen sie zu ergänzen und mit mir zu teilen.

Wenn du dich tiefer auf den Text einlassen möchtest, geht es hier zu der ausführlichen Version mit vielen Fragen an dich.

Welche Farben sind für dich bisher im Vordergrund? Über welche Farben hast du ein Urteil? Welche möchtest du weiter erforschen?

Hier noch ein paar übergreifende Fragen:

Ist das Wort Liebe vielleicht wegen der schillernden Bedeutung so beliebt und gleichzeitig unbeliebt? Welchen Stellenwert hat das Wort Liebe in deinem Leben? Wie gehst du mit der Vielfalt der Bedeutungen um?

Viele der Beschreibungen beziehen sich auf eine andere Person oder ein Objekt. Wie ist es, wenn du die Liebe zu dir selbst entdeckst? Woran würdest du die einzelnen Farben dann erkennen?

Welche Form der Liebe kannst du dir nur mit einer Person vorstellen? Was geschieht, wenn sie dann auch in Bezug auf andere Personen auftritt?

Prüfe mal ob es einen Unterschied macht, wenn du von „der Liebe“ sprichst als wäre sie ein greifbares Ding oder du ein Handeln siehst: zu lieben.

Macht es einen Unterschied, ob du dich auf ein anderes Objekt beziehst, zum Beispiel ich liebe dich, oder ob du dich auf deinen inneren Zustand beziehst? Zum Beispiel ich bin verliebt oder ich könnte die ganze Welt umarmen oder ich bin in Liebe

Was meinst du, wenn du von „meine Liebe“ sprichst? Gehört dir deine Liebe? 

Ja, viele Aspekte hängen zusammen. Wie bei einem Mosaik oder Regenbogen lohnt es sich zurückzutreten und das ganze Bild zu sehen. Vielleicht gelingt es dir, gleichzeitig die einzelnen Aspekte und das ganze Bild zu sehen.

Wenn du die beschriebenen Farben der Liebe gekostet hast, lohnt sich ein kleiner Test (Demnächst hier verlinkt). Das schafft Klarheit wo du stehst und wo du hingehen möchtest. Du kannst ihn zusammen mit deinem Partner/deiner Partnerin machen und dann in Austausch gehen. Das gemeinsame Schwingen fühlt sich wahrscheinlich gut an. Wenn ihr stellenweise unterschiedlich tickt, weckt es Neugier, Angst oder Abscheu?

A Ruck April 2022